Von Kathmandu nach Aying

Wenn Rita heute mit einer Selbstverständlichkeit durch unser Restaurant August und Maria flitzt, in ihrem pink-hellblauen Dirndl, immer ein Lachen im Gesicht, kann man nicht erahnen, wie  fernab jeglicher Vorstellungskraft dies alles vor gar nicht langer Zeit noch für sie war.

Als die heute 23-jährige im August 2015 ihre Lehrstelle in Aying angetreten ist, hatte sie eine lange Anreise hinter sich: Rita ist in einem Kinderhaus in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu aufgewachsen. Zu Ritas Familie im Kinderhaus zählten auch die deutschen Frauen Jutta und Maria, die sich während ihrer mehrwöchigen Nepal-Aufenthalte  liebevoll um Rita und die anderen Kinder kümmerten. So entstand über die Jahre eine sehr enge Bindung zu ihren Zieh-Müttern und damit auch Berührungspunkte mit Deutschland.  »So habe ich die ersten Wörter Deutsch gelernt. Jutta hat mir dann auch erzählt, was man in Deutschland für tolle Ausbildungen machen kann. Und dann dachte ich: Warum nicht? Dann kann ich auch die Sprache noch besser lernen.« Mit Juttas Hilfe bekommt Rita schließlich eine Lehrstelle als Restaurantfachfrau im Brauereigasthof Hotel Aying.

Am Anfang, das gibt Rita ehrlich, aber auch lachend zu, war sie schockiert. »Alles war so neu und anders. Die Menschen, die Umgebung, die Verkehrsmittel. Und alle sind immer pünktlich! Dazu kam natürlich auch, dass mein Deutsch noch lange nicht so gut war wie jetzt.«

An ihren ersten Tag in Aying kann sie sich noch sehr gut erinnern: »Mir ist sofort aufgefallen, dass es überall so sauber ist. Und die Häuser haben mich auch so beeindruckt – dass sie von außen so gemütlich und altmodisch aussehen, aber innen so modern sind.  Und den ersten Herbst werde ich auch nie vergessen, als sich die Blätter braun gefärbt haben und die ganze Natur sich verändert hat. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ganz zu schweigen von Schnee!«

Ebenfalls ein absolutes Novum: Der erste Dirndlkauf, Ritas Arbeitskleidung. »Ich hatte mir schon Bilder von Dirndl im Internet angesehen, aber als wir dann im Geschäft standen, war ich komplett überfordert.« Unterstützung bei den kleinen und großen Tücken des bayerischen Alltags bekam Rita auch hier von Jutta und Maria, die in der Nähe von München leben.

Und so kam sie jeden Tag ein Stückchen mehr in ihrer neuen Heimat an, und machte bei ihrem ersten und bisher einzigen Nepal-Besuch eine interessante Feststellung: Sie vermisste Deutschland, Aying, ihr Zimmer. »Für mich ist jetzt Aying zu Hause. Ich habe Freunde gefunden und ich habe das Gefühl, ich gehöre dazu. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier in meine Ausbildung machen darf.«

Die anfängliche Angst, auf Gäste und Kollegen zuzugehen, hat sich mittlerweile auch gelegt: »Zum einen natürlich, weil ich nun viel besser Deutsch spreche. Und zum anderen auch, weil ich nun besser einschätzen kann, wie die Leute reagieren. Am Anfang wusste ich nicht: Darf man hier auch mal einen Spaß machen?«

Irritiert hat sie auch die Distanz der Menschen: »Es dauert in Deutschland viel länger, bis jemand Vertrauen fasst und die Menschen brauchen Zeit, sich auf neue Leute einzustellen.« Am Anfang dachte Rita immer, sie mache etwas falsch und die Menschen seien deswegen so unterkühlt. »Aber heute weiß ich, dass das ganz normal ist. Da hat mir auch geholfen, dass so viele meiner Kollegen auch nicht aus Deutschland kommen und ich mich mit ihnen austauschen konnte.« 

Irgendwann möchte Rita wieder zurück nach Nepal, aber erst einmal  möchte sie natürlich die Ausbildung fertig machen, weiter Berufserfahrung sammeln und  noch etwas von der Welt sehen – und ihrer neuen Leidenschaft frönen: Kaffee, Kuchen und Eis! »Das gab es in dieser Form in Kathmandu nicht. Ich probiere jeden Kuchen und jedes Eis, weil es mir einfach so gut schmeckt!«